„Unternehmenskultur und Interkulturelles Management“
Vortrag von Sebastian Meurer, M.A. auf dem Seminar “Interkulturelle Kommunikation und Zusammenarbeit” an der Westfälischen Wilhelms-Universität
Münster am 13. Juli 2001
1. Relevanz interkultureller Kompetenz
„Globalisierung“ und „Multikulturalisierung“ von Gesellschaften bestimmen das Verhältnis von staatlichen und kulturellen
Einheiten neu. Oberhalb nationalstaatlicher Organisation entwickeln sich neue Formen von „Weltkultur“ durch politische, massenkommunikative, ökonomische und ökologische Vernetzungen, die das Bewußtsein von
Menschen in aller Welt mehr oder weniger prägen. (Featherstone/Lash 1995)
Interkulturelle Kompentenz wird demnach – nicht nur in „globalisierten“ bzw. „multikulturalisierten“ Gesellschaften verlangt
– sondern vollzieht sich in vielen Sektoren menschlichen Lebens:
· in der Politik (Außenpolitik, internationale Beziehungen, Diplomatie)
· im akademischen Bereich (Gastaufenthalte, Symposien, Kongresse, Wissenschaftliche Organisationen)
· im Bereich von Kunst und Kultur (Ausstellungen, gestspielen, Lesungen, Besuchen, Austausch)
· in der Wirtschaft (Außenwirtschaftsbeziehungen, bei Zweigstellen, Filialen, Büros, Tochtergesellschaften im
Ausland, bei transnationalen Konzernen)
· im Tourismus (als eine ganz speziellen Form)
· bei Auswanderen, Vertriebenen, Flüchtlingen, Asylsuchenden
· in weiteren speziellen Feldern interkultureller Begegnung (Forschung und Technik, im kirchlichen und
caritativen Sektor, im Sport, im militärischen Bereich, bei Institutionen und Verbänden, schließlich im privaten
Umfeld [interkulturelle Ehen])
ALSO: Wer heutzutage in ein fremdes Land geht, bereitet sich meist auf seinen Einsatz vor, indem er sich mit der Geschichte und Politik, den Lebensverhältnissen und der Kultur, Sprache seines Gastlandes beschäftigt. (Maletzke 1996)
2. Unternehmenskultur
Unternehmenskultur ist in den letzten Jahren aus unterschiedlichsten Gründen „wiederentdeckt“ worden:
· Wandel der Wertorientierung
· Verschärfung des nationalen und internationalen Wettbewerbs
· Bedrohung durch japanische Unternehmen und ihrer spezifischen Philosophie
· Erkenntnis der Grenzen rationaler und technokratischer Führungskonzepte. (von Rosenstiel 1992)
Während Weber das Unternehmen noch als „zweckrationale Organisation“ beschreibt, entwickelte sich die Vorstellung von
„Unternehmen“ im Laufe der Jahre. Der Begriff der Unternehmenskultur beinhaltet Kern des Unternehmenskulturgedankens ist das verständnis ein Unternehmen als Miniaturgesellschaft zu verstehen, die ihre ihr
eigenen Sprache, Mythen, Rituale, Tabus erzeugt. (von Rosenstiel 1992)
Alles was in einem Unternehmen beobachtbar ist, wird Ausdruck bestimmter zugrundeliegender Überzeugungen und Werte. Es gibt debei
mehrere Ebenen, auf man im Unternehmen zu achten hat (Schein 1984):
I. Basisannahmen (untere Ebene)
II. Normen, Werte, Verhaltenregeln, Handlungsmuster eines Unternehmens (mittlere Ebene)
III. Artefakte als Funktion im zweckrationalen Sinn und als Ausdruck der Basisannahmen (obere Ebene)
Verstehen wir „Subkultur“ als „interne Differenzierung einer Kultur“, so können wir Unternehmenskultur auch als eine
„spezifische Form von Subkultur“ ansehen. Kein Unternehmen kann sich erlauben, sich aus der ihr umgebenen Kultur auszugrenzen. Demnach orientieren sich Unternehmen sehr stark an „dominanten Kulturelementen“
und wählen aus diesen aus. (IFIM 2001)
3. Interkulturelles Management
3.1 Basics
Interkulturelles Management ist als Idee eine Folgeerscheinung des Unternehmenskulturansatzes. Es beschreibt keine neue
Managementmethode. Es geht um übliche Managementfunktionen („universal constructs“, Planung und Entscheidungsfindung, Auswahl und Zuordnung von Ressourcen, Motivation und Kontrolle, geschäftsnabahnung,
Verhandlungsführung). Die Art wie diese Funktionen ausgeübt werden, ist kulturell geprägt („indigenious constructs“). Das Interkulturelle Management hat als Aufgabe diese beiden Begriffspaare miteinander zu
verknüpfen. (Merkens 2001)
Das Beispiel Diskussionsführung:
· Deutschland: offene, sachliche Diskussionsführung, linear zum Punkt hin, Argumente bestehen aus „hard
facts“, hohe Gesprächsdisziplin, „Das beste Argument soll sich durchsetzen!“
· In Italien sprechen viele gleichzeitig, in Lateinamerika ist ein zirkulärer Diskussionsstil üblich, asiatische
Diskussionsteilnehmer greifen gerne Zustimmungswürdiges auf, ergänzen und korrigieren dies, während sie
ablehnende Gedanken weglassen, Sprichworte sind in vielen Kulturen beliebt, Ranghöhere wird bspw. in
Indonesien nicht widersprochen, mehrheitsentscheidungen hintrelassen „Unterlegene“, Gesichtsverlust.
Folge: Irritation bei deutschen Managern, Schweierigkeiten dem Diskussionsverlauf zu folgen, emotionale Abneigung, Resignation (Bittner 1992
3.2 Praxis des Ansatzes
Nicht zuletzt als Folge der zunehmenden Zahl internationaler Kooperationen von Unternehmen ist interkulturelles Management eine
Anforderung an das Personalwesen und die Unternehmensführung. Je nach Form der Zusammenarbeit – in einem ausl. Tochterunternehmen einer Konzernmutter, im aufgekauften Unternehmen oder als Joint Venture – kommt
es zu unterschiedlichen Artikulationstypen des interkulturellen Managements. (Merkens 2001)
Umsetzung in Unternehmen:
· Deutsche Shell: Trainingsmaßnahmen un „learning by doing“. Job Rotation und Einsatz als Expatriate in
anderen Shell-gesellschaften im oberen und Spitzenmanagement. 1990 waren 60 dtsch. Mitarbeiter bei
ausländischen Gesellschaften und 70 Mitarbeiter ausländischer Gesellschaften als expatriate in Deutschland tätig.
· Volkswagen: Einbindung in das normale Trainee-Programm. ergänzung der nat. Elemente um int.
Komponenten. Problem: sprachliche Distanz bei Töchtern Seat und Skoda.
· Deutsche Aerospace AG (als Joint-venture): Entwicklung einer gemeinsamen Identität, Umsetzung der
Unternehmensziele der Mutterunternehmen. Elemente beider Unternehmenskulturen
· In deutschen Großunternehmen (aus einer Umfrage 1991):
- Auslandseinsätze im Rahmen von Trainee Programmen, 81 %
- Auslandseinsätze von Führungskräften zur Sammlung internat. Erfahrung, 78 %
- Bildung int. Führungs-Teams und Arbeitsgruppen, 64 %
- Identifikation von Führungspotential in ausländischen Niederlassungen, 49 %
- Internationale Job-Rotations-Programme für Führungskräfte, 41 %
- Gezielete Akquisition und Rekrutierung ausländischer High Potentials, 32 %
- Gezieltes Führungskräfte-Training im Cross-Culture-Management, 27 %
- Akquisition ausländischer Topmanager für die Unternehmenesleitung, 27 &
- Internationales Unternehmenskultur-Management, 8 %
- Keine Massnahmen, 3 %
(Bittner 1994)
Probleme:
· Schulungen im Bereich des interkulturellen Managements verharren auf der Ebene der Sprachschulungen und
der Einführung in eine andere Kultur. Es fehlt zumeist an Konkretisierungen zum Zusammenspiel von „universal“
und „indigenious constructs“.
4. Hofstedes Theorie der Kulturdimensionen
Der niederländische Managementforscher Hofstede (Hofstede 1984) hat aus einer Befragung über Managementauffassungen von insgesamt
100.000 Managern und Angestellten in einem Unternehmen (IBM), in 66 verschiedenen Ländern vier Kulturdimensinonen (oder „kulturelle Indizes“) abgeleitet.
Hofstedes Untersuchung zielte darauf ab, zu beweisen, dass die Unternehmenskultur nicht in allen Filialen ein und dieselbe sein konnte,
weil sie in keinster Weise die je nationale Kultur ausblende.
Für Hofstede ist Kultur ein „collective mental programming“ das die Menschen einer Region oder einer Nation gemeinsam haben.
4.1 Kulturdimension I: Individualismus versus Kollektivismus
Im Vordergrund steht die Einordnung der möglichen Antworten auf die Frage nach der Beziehung zwischen Individuen und Gesellschaft. Dient
das Individuum der Gesellschaft oder steht die individuelle Entfaltung des Einzelnen im Mittelpunkt zum Wohle der Gesellschaft?
Individualität
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Kollektivismus
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· Sorge für sich selbst
· Privatsphäre ist bedeutend
· Freiheit vor Gleichheit
· Wirtschaft beeinflusst Regierung
· Beförderung nach Leistungskriterien
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· Sorge für Großfamilie
· Privatleben in einer Gruppe/Familie
· Gleichheit vor Freiheit
· Staat lenkt Wirtschaft
· Beförderung aufgrund von Beziehung
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USA (91), Australien (90), Grossbitannien (89), BR Deutschland (67)
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Venezuela (12), Kolumbien (13), Pakistan (14), Japan (46)
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Mittelwert: 51
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4.2 Kulturdimension II: Vermeidung von Unsicherheiten (Risikoverhalten)
Diese Dimension beschreibt das Ausmass, in dem Mitglieder einer Kultur sich durch zweifelhafte und ambivalente
Situationen beeinträchtigt fühlen bzw. diese als bedrohlich erleben, und mit entsprechenden Massnahmen reagieren, um diese in Zukunft zu vermeiden.
starke Unsicherheitsvermeidung
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schwache Unsicherheitsvermeidung
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· Unsicherheit als ständige Bedrohung
· subjektiver Stress und Angstgefühle
· hohe Regulation in Erziehung, Gesetzen
· Strukturiertheit erwünscht
· Bedürftigkeit nach Geschäftigkeit, Arbeit,
Kontrolle
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· Unsicherheit als akzeptierte Normalität
· subjektives Wohlbefinden, geringer Stress
· geringe Regulation in Erziehung, Gesetzen
· Regelhaftigkeit unerwünscht
· Wohlbefinden bei Müssiggang
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Griechenland (112), Portugal (104), Belgien (94), Japan (92), BR Deutschland (65)
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Singapur (8), Dänemark (23), Schweden (29), USA (46)
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Mittelwert: 64
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noch ein Beispiel:
Das System lebenslanger Anstellung in Japan und die damit verbundene dauerhafte Bindung zwischen Arbeitgeber
und Arbeitnehmer steht in starkem Kontrast zur hohen Mobilität der Arbeitnehmer in einem „hir and fire country“ wie die USA.
4.3 Kulturdimension III: Akzeptanz ungleicher Machtstrukturen
Diese Dimension umfasst das Ausmass, in dem weniger machtbefugte Mitglieder einer Gesellschaft, Institutionen oder
einer Organisation akzeptieren, dass Macht und Einfluss ungleich verteilt sind. Individuen von Kulturen mit
ausgeprägten Machtstrukturen akzeptieren Macht als Teil der Gesellschaft. Sind alle Menschen Gleich oder ist die Ungleichheit des Menschens – und damit die ungleiche Machtverteilung – Naturgegeben?
geringe Machtdistanz
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hohe Machtdistanz
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· Macht braucht Legitimation
· Wohlstand und Fähigkeiten strikt getrennt
· geringe Einkommensunterschiede
· Religionen betonen Gleichheit
· Managementfokus auf Mitarbeiter
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· Macht vor Recht
· Einheit von Fähigkeiten, Macht, Wohlstand
· hohe Einkommensunterschiede
· Religionen betonen Ungleichheit
· Managementfokus auf Führung
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Österreich (11), Israel (13), Dänemark (18), BR Deutschland (35), USA (40)
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Philippinen (94), Mexiko (81), Venezuela (81), Indien (77), Japan (54)
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Mittelwert: 51
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4.4 Kulturdimension IV: Verteilung männlicher und weiblicher Attribute
Kulturen mit einem ausgeprägten „Männlichkeitsindex“ sind gesellschaften in denen die „Rollenverteilung von Mann
und Frau“ und die „Leistungsfähigkeit“ betont werden. Umgekehrt sind Kulturen mit „eher weiblichen Zügen“
Gesellschaften, in denen das geschlechtsspezifische Rollenverhalten weniger in den Vordergrund tritt un man
tendenziell mehr Wert auf das Verhalten von Menschen untereinander , das Interesse am Mitmenschen und auf die Qualität des Arbeitslebens legt.
Maskulinität
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Femininität
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· wichtig ist: materieller Erfolg, Karriere, Geld,
Objekte, Leistung, Wettbewerb
· Männerbild: hart, bestimmt, ehrgeizig, faktisch
· Frauenbild: sensibel, beziehungs- und
gefühlsorientiert
· Leben um zu Arbeiten
· Vorgesetzter ist entschlussfreudig
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· wichtig ist: „sich kümmern um andere“,
Bewahrung, Beziehungen, Gleichheit, Qualität, Unterstützung Bedürftiger
· Männer und Frauen sind gleich
· Männer- und Frauenbild: sensibel,
beziehungsorientiert, identische Rollen
· Arbeiten um zu Leben
· Vorgesetzte intuitiv und konsensorientiert
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Japan (95), Österreich (79), Venezuela (73), BR Deutschland (66), USA (62)
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Schweden (5), Norwegen (8), Niederlande (14), Brasilien (49)
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Mittelwert: 51
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noch ein Beispiel:
Ein bekannter Schlager von Sada Masashi aus dem Jahr 1979 zeigt die „Männlichkeit“ der japanischen Gesellschaft.
In dem Text heisst es: „Nachdem Du meine Frau geworden bist, hör gut zu, wirst du nicht vor mir zu Bett gehen
und nicht nach mir aufstehen; du wirst nur gute Mahlzeiten bereiten und immer schön sein, schweig´ still und halt dich hinter mir.“
Die Dimensionen lassen sich auch korrelieren, beispielsweise bewies Hofstede Zusammenhänge zwischen einer
ausgerägten Machtakzeptanz (III) und einer ausgeprägten Risikoscheue (II).
4.5 Einordung
Hofstede wurden v.a. methodologische Vorwürfe erhoben, die durchaus berechtigt waren. Diese änderten jedoch
nichts an der Tatsache, dass Hofstede empirisch beweisen konnte, dass die Auswirkungen der jeweiligen nationalen
Kulturnicht ausser acht gelassen werden dürfen. Bei der Leitung internationaler Projekte und der Führung
internationaler Mitarbeiterteams darf das strategische Management den interkulturellen Kontext nicht ignorieren. Ferner stellt Hofstedes Untersuchung eine wichtige Grundlage für viele kulturwissenschaftliche,
kommunikationswissenschaftliche und mittlerweile auch betriebswirtschaftliche (vgl. Müller/Kornmeier 2001) Arbeiten dar.
5. Literatur
Bittner, Andreas: Interkulturelles Management. Ein Wissenszweig und seine Rezeption im deutschen Unternehmen.
In: Informartion der Internationalen Treuhand AG. Heft 91. Juli 1992. S. 34-49. (WuP-Reader S. 360-368).
Bittner, Andreas: Interkulturelles Personalmanagement. Internationale Personalentwicklung, Auslandsentsendungen,
interkulturelles Training. Wiesbaden 1994.
Demorgon, Jacques. o.A. „Hofstede und die Existenz nationaler Kulturen: Die IBM-Niederlassungen in der ganzen
Welt“ <http://www.dfjw.org/paed/texte2/intmanag13html> (11.04.2001)
Featherstone, M & Lash, S.: Globalization, Modernity and the Spatialization of Social Theory. An Introduction. In:
Featherstone M. et al.: Global Modernities. London 1995. S. 1-24.
Hofstede, Geert H.: Culture´s consequences. International differences in work-related values. Newbury Park/London/New Delhi 1984.
Institut für Interkulturelles Management. 05.09.2000. „Antworten auf häufig gestellte Fragen“
<http://www.ifim.de/FAQ/FAQEinführung.htm> (17.04.2001)
Maletzke, Gerhard: Interkulturelle Kommunikation. Zur Interaktion zwischen Menschen verschiedener Kulturen. Opladen 1996.
Merkens, Hans. o.A. „Interkulturelles Management“ <http://www.dfjw.org/paed/texte2/intmanag2.html>, <http://www.dfjw.org/paed/texte2/
Müller, Stefan/Martin Kornmeier: Internationale Wettberwerbsfähigkeit, Landeskultur und Menschenbild. In:
Wirtschaftswissenschaftliches Studium. Heft 4. Jg. 30. April 2001. S. 194-201.
o.A.: Hofstede kurz und bündig. In: Deutsche Stiftung für Internationale Entwicklung: Interkulturelle Kommunikation
und Zusammenarbeit. Grundlagen zur theoretischen und methodisch-didaktischen Orientierung. Bad Honnef 1999. (unveröffentlichtes Manuskript).
Rosenstiel, Lutz von: Unternehmenskultur – einige einführende Anmerkungen. In: Dierkes, Meinolf/Lutz von
Rosenstiel/Ulrich Steger (Hrsg.): Unternehmenskultur in Theorie und Praxis. Frankfurt am Main/New York 1992. S. 8-23.
Schein, E.H.: Coming to a new awareness of organizational culture. In: Sloan Management Review 1984. S. 3-16.
Thieme, Werner Maximilian: Interkulturelle Kommunikation und internationales Marketing. Theoretische Grundlagen als
Anknüpfungspunkt für ein Management kultureller Unterschiede. Frankfurt am Main et al. 1999.
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